Rückblick mit Fragezeichen: Die „New Wave“ verliert an Glanz
Anfang dieses Jahres fand in London eine spannende Verkostung unter dem Titel „South Africa’s New Wave Tasting – Ten Years On“ statt. Dort wurden Weine der sogenannten Young Guns verkostet – also jener aufstrebenden Winzerinnen und Winzer, die vor rund zehn Jahren mit frischen Ideen und innovativem Stil für Furore sorgten.
Doch das Fazit fiel eher ernüchternd aus: Selbst die besten Weine schafften es selten über die 95-Punkte-Marke. Die große Frage, die sich daraus ergab: Wie schlagen sich die klassischen, etablierten Bordeaux-Stil-Weine Südafrikas zehn Jahre nach der Ernte?
Der Vergleich: Südafrika vs. Bordeaux
Um das herauszufinden, organisierte der private Sammler und Winemag.co.za-Leser Ryan Coetzee eine spannende Blindverkostung. Serviert wurden zwölf der renommiertesten Bordeaux-Style-Weine Südafrikas, begleitet von vier echten Classé-Gewächsen aus Bordeaux.
Die 16 Weine wurden in vier Flights zu je vier Weinen verkostet – immer drei aus Südafrika, einer aus Bordeaux, und natürlich blind.
Die Flights im Überblick
Flight 1
Stark-Condé Oude Nektar 2015
Keets First Verse 2015
Kanonkop Paul Sauer 2015
Château La Mission Haut-Brion 2015
Flight 2
Thelema Rabelais 2015
Meerlust Rubicon 2015
Warwick Trilogy 2015
Château Pichon Longueville Comtesse 2015
Flight 3
MR de Compostella 2015
Tokara Director’s Reserve 2015
Glenelly Lady May 2015
Château Léoville Las Cases 2015
Flight 4
Ernie Els Signature 2015
Boekenhoutskloof The Journeyman 2015
Vilafonté Series C 2015
Château Pontet-Canet 2015
Die Bewertungen im Detail
97 Punkte
Thelema Rabelais 2015
Ein echtes Highlight – strukturiert, komplex, elegant und kraftvoll. Einfach ein sensationeller Wein.
96 Punkte
Ernie Els Signature 2015
MR de Compostella 2015
Beide Weine zählen seit Jahren zur Spitze des Landes – und zeigen auch nach zehn Jahren keinerlei Ermüdungserscheinungen.
95 Punkte
Kanonkop Paul Sauer 2015
Stark-Condé Oude Nektar 2015
Beides Klassiker mit langem Atem und Tiefe.
94 Punkte
Boekenhoutskloof The Journeyman 2015
Château Léoville Las Cases 2015
93 Punkte
Glenelly Lady May 2015
Keets First Verse 2015
92 Punkte
Meerlust Rubicon 2015
91 Punkte
Château Pichon Longueville Comtesse 2015
Tokara Director’s Reserve 2015
Vriesenhof Kallista 2015 (als Ersatz für Warwick, nicht blind verkostet)
90 Punkte
Château La Mission Haut-Brion 2015
89 Punkte
Vilafonté Series C 2015
Nicht bewertbar
Château Pontet-Canet 2015 – von Brettanomyces verdorben
Warwick Trilogy 2015 – stark korkgeschädigt
Einzelbewertungen & Eindrücke
Rabelais 2015 – Grandioser Auftritt
Der Rabelais 2015 von Thelema war schlichtweg beeindruckend. 90 % Cabernet Sauvignon, 10 % Petit Verdot, 20 Monate im neuen Eichenfass. In der Nase: rote und schwarze Beeren, florale Noten, Fleischbrühe und Erde. Am Gaumen: Tiefe, Frische, feinkörnige Tannine – ein echter Showstopper.
Kanonkop bleibt verlässlich auf Top-Niveau
Der Kanonkop Paul Sauer 2015 ist und bleibt ein Ausnahmecuvée. Ob blind oder nicht: dieser Wein zeigt konstant große Klasse – Jahr für Jahr.
Tokara zeigt, wie relativ Bewertungen sein können
Während der Tokara Director’s Reserve 2015 im 10-Year-Old Report noch 95 Punkte erhielt, präsentierte er sich diesmal deutlich reifer und weicher. Ein gutes Beispiel dafür, dass Bewertungen eben Momentaufnahmen sind.
Klassiker auf Augenhöhe
Die Top-Weine von Stark-Condé, MR de Compostella und Ernie Els bestätigten erneut, warum sie zur qualitativen Spitze Südafrikas gehören. Struktur, Tiefe, Langlebigkeit – alles da.
Bordeaux? Nicht immer überzeugend
Etwas überraschend: Die Bordeaux-Weine konnten nicht durchgängig überzeugen.
La Mission Haut-Brion 2015 wirkte überreif und alkoholisch (15 %) – elegant ist anders.
Pichon Longueville Comtesse 2015 zeigte Finesse, wurde aber zunächst als „zu zurückhaltend“ unterschätzt.
Léoville Las Cases 2015 war ein echter „Slow Burner“ – öffnete sich erst sehr spät.
Pontet-Canet 2015 war durch Brett völlig verdorben – schade um die Flasche.
Ehrenrettung: Vriesenhof statt Warwick
Die ursprünglich vorgesehene Warwick Trilogy 2015 war leider stark korkgeschädigt. Als Ersatz kam eine Flasche Vriesenhof Kallista 2015 zum Einsatz – offen verkostet. Zwar mit leichtem Brett-Ton, aber insgesamt absolut trinkbar.
Vilafonté: Viel Frucht, etwas Hitze
Der Vilafonté Series C 2015 wirkte süßlich und alkoholisch. Der Stil hat sich unter dem aktuellen Winzer Chris de Vries (seit Ende 2016 dabei) laut Verkoster deutlich verbessert – dieser Jahrgang stammt noch aus der Übergangszeit.
Fazit: Südafrikas Klassiker bestehen den Test
Die Verkostung zeigt: Südafrikas Bordeaux-Stil-Weine können sich auch nach zehn Jahren mehr als sehen (und schmecken) lassen.
Während einige Bordeauxs eher schwächelten oder polarisierten, beeindruckten viele südafrikanische Weine mit Tiefe, Eleganz und Konstanz.
Einmal mehr wird klar: Südafrikas Weinlandschaft hat nicht nur Innovation zu bieten – sondern auch Substanz.